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Dieses Thema hat 7 Antworten
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 Piraten in der Nord- und Ostsee
Jan van Eijk Offline

Admiral


Beiträge: 442

08.02.2009 12:37
die Vitalienbrüder Antworten
Vielen sind die sogenannten Vitalienbrüder unter ihren Anführern Klaus Störtebeker und Godeke Michels als bloße Seeräuber bekannt, doch dabei handelt es sich lediglich um ihre, später romantisierte Endphase. Während ihrer großen Zeit waren sie eine Söldnerformation ähnlich den Freien Kompanien in Frankreich und Italien. Schon ihr Name deutet auf diese Verbindung. Die Kaper in der Ostsee wurden vor dieser Zeit lediglich als Seeräuber oder Ausleger bezeichnet. "Vitaillers" dagegen nannte man in Frankreich Söldner, die sich ihre eigene Verpflegung raubten. über die Niederlande kam dieser Begriff ins Niederdeutsche als Synonym für Räuber, Plünderer und fouragierende Söldner. Der Name "Vitalienbrüder" entstand deshalb nicht durch die Versorgung des belagerten Stockholms mit Lebensmitteln, wie oft fälschlich kolportiert wird, sondern "dewile se nicht up Besoldunge dehneden, sondern up der egene Eventuhre", wie ein Chronist schrieb. Auch die Bezeichnung "Brüder", ihr späterer Name "Likedeeler" (Gleichteiler) und ihr Wahlspruch "Gottes Freunde und aller Welt Feinde" sind deutliche Gemeinsamkeiten mit den Freien Kompanien des hundertjährigen Krieges.
Wie in Frankreich und Italien schuf auch im Ostseeraum ein langer Krieg mit vielen Fraktionen und wechselnden Bündnissen die Voraussetzungen für die Entstehung einer eigenständigen Kompanie. In der Auseinandersetzung zwischen Mecklenburg und Dänemark um Schweden formierten sich die Vitalier zuerst als mecklenburgische Söldner auf eigene Rechnung und begannen damit ihr Eigenleben als typische Soldkompanie des Spätmittelalters. Ihre Blütezeit erlebten sie zwischen der Gefangennahme des schwedischen Königs Albrecht 1389 und dem Frieden von Wordingborg 1435. In dieser Zeit spielten sie eine zentrale Rolle als Kaper und Söldner der verschiedenen Machtgruppen. Sie wechselten zwischen Königin Margarete von Dänemark, König Albrecht von Schweden, dem Bischof von Dorpat, dem Herzog von Pommern, den Grafen von Oldenburg und von Holland und den friesischen Häuptlingen. Die nordischen Länder waren relativ dünn besiedelt und arm. Entsprechend klein waren auch die Armeen und Flotten. Selbst in ihren besten Zeiten zählten die Vitalier nie mehr als 2.000 Mann. Ihre größte Flotte soll aus ungefähr 100 Schiffen bestanden haben, von denen die meisten allerdings nur winzige Schuten waren. Trotzdem kann man ihre Anführer zu Recht als nordische Condottieri bezeichnen.

In Friedenszeiten verhinderte der politische Druck der Hanse, dass den Kapern ein sicherer Unterschlupf zur Verfügung gestellt wurde, und ihre armselige Existenz fand nicht allzuviele Nachahmer. Die Sache änderte sich, als es zum Konflikt zwischen Dänemark und dem Haus Mecklenburg kam. 1363 war Albrecht III. von Mecklenburg König von Schweden geworden. Die zahlreichen deutschen Soldritter, die er zu seiner Unterstützung mit ins Land gebracht hatte, hatten ihn bei der Bevölkerung nicht gerade beliebt gemacht. Kritisch wurde es, als nach dem Tod des Dänenkönigs Waldemar die Mecklenburger auch noch Anspruch auf den dänischen Thron erhoben. Waldemars Tochter Margarete, die gleichzeitig auch die Witwe des norwegi­schen Königs war, beanspruchte im Gegenzug den Thron für ihren Sohn Olaf. Nachdem die Dänen sich dann für Olaf entschieden, stellten die Mecklenburger sofort Kaperbriefe aus und Rostock und Wismar öffneten den Piraten ihre Häfen. Unternehmungslustige mecklenburgische Adlige begannen gleich damit Schiffe auszurüsten. So wie sich ihre binnenländischen Standesgenossen mit Freunden und Verwandten zusammenschlossen und den Pfeffersäcken auflauerten, so legten die Mecklenburger bei Gelegenheit zusammen, um sich ein Schiff zu kaufen. Wenn das Geld nicht reichte, wurden Teile des Besitzes verpfändet, die Raten mussten dann mit dem Schwert verdient werden. Wie im Reich Fehden jeder Art immer ein willkommener Anlass waren, Straßenraub legal zu betreiben, so erhielt die Piraterie in der Ostsee durch Kaperbriefe einen offiziellen Anstrich.

Die Vitalienbrüder kämpften für Dänemark, die Mecklenburger und auf eigene Rechnung. Aber auch Hansestädte wie Wismar und Rostock stellten ihnen Kaperbriefe aus. Andere Hansestädte versuchten den Seräubern und ihrem Treiben ein Ende zu setzen. Nach dem ergebnisloden Kampf um Stockholm verlagerte sich der Krieg um 1395 nach Gotland, wo sich die Vitalier der Dänen und Mecklenburger schließlich zusammenschlossen ein eigenständiges Seräuberherzogtum bildeten. Dessen Existenz beendete erst 1398 ein Großangriff des Deutschen Ordens. Doch auch danach gaben sich die Vitalienbrüder noch lange nicht geschlagen.

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Jan van Eijk Offline

Admiral


Beiträge: 442

22.02.2009 11:36
#2 RE: die Vitalienbrüder Antworten
So, unseren Klaus haben wir ja an anderer Stelle genauestens beschrieben.
Fangen wir hier mal mit Magister Wigbold an:
Über das Leben des jungen Wigbolds ist wenig bekannt. Er wurde schon früh im Kloster aufgenommen und dort in den unterschiedlichsten Wissensbereichen unterrichtet. Dann soll er hinausgeworfen worden sein und die Universität Oxford besucht haben. Er war keine besonders imposante Erscheinung und wird daher auch als „der listige Zwerg“ oder „das teuflische Gehirn“ beschrieben.

Er war außerdem nicht, wie Gödeke Michels oder Klaus Störtebeker, aktiv in die Kämpfe verwickelt und zog es vor, Verhandlungen zu führen, um somit wenige Verluste zu erleiden.
Bild: Roter Teufel

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Jan van Eijk Offline

Admiral


Beiträge: 442

22.02.2009 12:19
#3 RE: die Vitalienbrüder Antworten

Grasbrook- Hamburg
Der Grasbrook war eine Insel an der Unterelbe in Hamburg, auf der unter anderem der Seeräuber Klaus Störtebeker im Jahr 1401 hingerichtet wurde. Bis in das 19. Jahrhundert hinein diente sie als Viehweide. Sie war aber immer vom Hochwasser der Elbe und von Sturmfluten bedroht. Auch heute greifen hier nur die bauseitigen Hochwasserschutzmaßnahmen.
Mit dem Durchstich der Norderelbe wurde die Insel in die Gebiete Großer Grasbrook und Kleiner Grasbrook geteilt. Dies war eine der Maßnahmen, um den Hamburger Hafen für Seeschiffe tauglich zu machen
Seit ca. 1740 siedelten sich auf dem Großen Grasbrook namhafte Hamburger Werften an. Zu Ihnen gehörte die Werft Johns, nach der die Johns'sche Ecke benannt ist, die Sommsche Werft und einige andere. Die Blüte dieser Werften wurde um 1850 erreicht, als unter anderem die ersten Segler der neu gegründeten Reederei HAPAG hier gebaut wurden (die "Nord Amerika", das zweite Schiff der HAPAG, wurde bei Johns gebaut). Der Hafenausbau und der darauf folgende Bau der Speicherstadt hatten dann Priorität. Die Werftbesitzer wurden vom Hamburger Senat kurzerhand enteignet und auf den Kleinen Grasbrook umgesiedelt. Die Kosten mussten die Werftbesitzer selbst tragen. Nur wenige Werften überlebten die Übersiedelung.
Zusammen mit der Insel Kehrwieder bildet der „Große Grasbrook“ das Areal für die Speicherstadt. Hier entstand das Gebiet der HafenCity, ein anspruchsvolles städtebauliches Neubauvorhaben für Gewerbe und Wohnungen.
Bild 1: Störtebeker-Denkmal auf dem Grasbrook
Bild 2: Hamburgs Speicherstadt auf dem Grasbrook
Bild 3: Gepfählter Schädel

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Jan van Eijk Offline

Admiral


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22.02.2009 13:27
#4 RE: die Vitalienbrüder Antworten

neue Erkenntnisse zu den Vitalienbrüder
Es gibt nur zwei umfassende Beiträge zur Geschichte der Vitalienbrüder, den von Johannes Voigt (1841) und den von Karl Koppmann (1877). Beide sind veraltet. Was danach auf diesem Gebiet erscheint, befasst sich mit Details. Hier wird die gesamte Geschichte der Vitalienbrüder umrissen. Die gebotene Kürze muss viele Fragen offen lassen. Als Quellen wurden hauptsächlich die Hanserezesse und Urkundenbücher Nordeuropas benutzt.
Die Geschichte der Vitalienbrüder ist bewegt und spannungsreich. Aber sie ist auch verworren und verläuft unkontinuierlich. Darum ist es nicht leicht, sie kurz zu erzählen.

Die Vitalienbrüder tauchen plötzlich auf, halten sich ein paar Jahre und verschwinden dann wieder. Doch unvermutet kehren sie zurück und sind nun in anderen Gewässern. Dieses Kommen und Gehen wiederholt sich fast sieben Jahrzehnte. Das sie sich so lange halten konnten, ist vornehmlich ihren Führen zu danken. Sie entstammen zu einem nicht geringen Teil dem Adel, der im Umfeld der Ost- und Nordsee zuhause ist. Diese Hauptleute der Vitalianer sind erst in zweiter Linie Seeräuber. Was sie vor allem auszeichnet, sind ihre militärischen und politischen Begabungen. Das verhilft ihnen zu einer politischen Macht, die sie den Staaten Nordeuropas ebenbürtig macht.

Dies muss überraschen, wenn man weiß, wie schwach sie sind. Nie haben sie mehr als 2000 Mann in der Ostsee und an die 1500 in der Nordsee. Und fast immer sind sie zersplittert. Sie kapern und rauben – die Grenze ist schwer zu ziehen meist nur in Einheiten von 200-300 Mann. Was sie doch besonders schwach erscheinen lässt ist, dass sie weder einen Staat noch eine Heimat haben. Um ihren Kaper-Status zu sichern, sind sie ständig mit kriegführenden Mächten verbündet. Kaum ein Ostsee-Staat, ein Herzogtum, eine Grafschaft oder eine friesische Herrschaft sind zu nennen, mit denen sie nicht zu irgendeiner Zeit wenn nicht verbündet, so doch deren Schützlinge sind. Weit im Nordosten ist der Bischof von Dorpat einer ihrer Schützer, im äußersten Westen ist es der Graf von Holland. Aber auch alle, die dazwischen wohnen, gehören dazu. Es sind Könige, Herzöge und Grafen bis herunter zu Herren mit kleinem Landbesitz. Nur die Hochmeister des Deutschen Ordens sind nie ihre Verbündeten gewesen.
Um 1428 haben Vitalienbrüder eine letzte Blütezeit Unter der Führung von Bartholomäus Voet sind sie im Bündnis mit sechs Hansestädten und dem Herzog von Holstein gegen König Erich der vereinten drei nordischen Reiche. Dieselben Städte hatten frühere Generationen von Vitalienbrüdern zu Hunderten hingerichtet.

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Jan van Eijk Offline

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22.02.2009 13:28
#5 RE: die Vitalienbrüder Antworten

Die Vitalienbrüder haben ständig einen hohen Blutzoll zu zahlen. Wer in Gefangenschaft gerät, wird in den Seestädten hingerichtet. Erich Lüth, Schriftsteller in Hamburg, spricht von Massenhinrichtungen. Er hat Überschlägig ermittelt, dass allein auf dem Grasbrook in Hamburg an die 600 Vitalienbrüder enthauptet worden sind.
Darunter auch Klaus Störtebeker, nachdem er in einem Seegefecht vor Helgoland 1401 gefangengenommen worden war. Dasselbe Schicksal ereilte Goedeke Michels ein halbes Jahr später, wahrscheinlich in der Wesermündung. Beide wurden noch 1401, Michels vielleicht erst 1402 exekutiert.

Es existieren keine Vollstreckungs-Urkunden. Ob überhaupt je einer Exekution ein Gerichtsverfahren vorausging, ist nicht bekannt. Es gibt keine abgedruckten Prozessakten, die sich darauf beziehen. Nie sind die Vitalienbrüder als Kombattanten anerkannt worden, auch dann nicht, wenn sie Söldner bei Kriegführenden sind. Wenn in den Quellen, was äußerst selten ist, Hinrichtungen erwähnt werden, geschieht dies mit diesen Worten: ....unde leten en de huvede afhowen." Das widerfuhr z.B. 36 Vitalienbrüdern vom 11. bis 18 Mai 1400 in Emden. Drei "hovet Lüde" sind unter den Gerichteten, ein Bastard des Grafen Konrad von Oldenburg, Kordes genannt, ist auch dabei.

Vorausgegangen war ein Seegefecht in der Osterems am 5. Mai 1400, das die vereinigte Flotte der Lübecker und Hamburger gewinnt. Vom Kampfgeschehen heißt es knapp: ,,aver bord gheworpen worden by 80 vyttalyenbrodere."
Nach der Aktion auf der Osterems, bei der 114 Seeräuber entkommen waren, schloss Herzog Albrecht von Bayern, Graf von Holland, 1400 mit diesen einen Vertrag über freies Geleit, praktisch eine Unterschutzstellung, mit der Bedingung, dass die Vitalienbrüder auch ,,Feinde seiner Feinde" sein sollten. Im Vertrag werden namentlich aufgeführt: Hermann Haweupe, Johann Stortebeker, Hinrich Corte, Jan Velhove, Otto Rover, Tiderich Hogezee, Yesse Dene und Gudemond Janneszon. Etwas später nahm der Herzog weitere 150 Vitalienbrüder auf (Hanserezesse 1, 4, nr. 805 vom 15.8.1400 und nr.808 vom 11.11.1400). Zitiert nach Ute Scheuerlen: ,,Handel und Seeraub im 14. und 15. Jahrhundert an der ostfriesischen Küste", 5. 117. Dissertation 1974.

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Jan van Eijk Offline

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22.02.2009 13:29
#6 RE: die Vitalienbrüder Antworten

Nie wären die Vitalienbrüder so erfolgreich geworden, hätten sie nicht amphibische Instinkte besessen. Sie müssen beidlebig sein, sowohl auf dem Wasser als auch an Land existieren können. Es genügt nicht, Schiff und Ladung zu nehmen. Sie müssen abgesetzt werden, und dazu brauchen sie Häfen. Diese finden sie bei ihren jeweiligen Bündnispartnern. Aber sie brauchen auch Schlupfwinkel, wenn sie auf der Flucht sind. Hier kommt ihnen die Natur der Küsten in der Ost- und Nordsee entgegen. So die Schärenküste Mittelschwedens und Finnlands. Dann die Inseln wie Gotland, Öland, Bornholm, Ertholen, Helgoland, Wangerooge. Und nicht zu vergessen die Wattenmeere vor den ost- und westfriesischen Küsten mit Sandbänken, Seegatte, Prielen und Sielorten.
Die Vitalienbrüder liegen dort in Lauerstellung, wo der stärkste Schiffsverkehr ist. Das ist der Fall in Flussmündungen wie Newa, Düna, Weichsel, Elbe, Weser, Ems, Swyn (ein kleiner Küstenfluss nordöstlich von Brügge). Günstig für den Raub sind aber auch die Haffs der südlichen Ostseeküste sowie der enge dänische Sund und die dortigen Belts.

Wie wirksam sie rauben, geht z B. aus der Hanse-Anordnung hervor: ,,Nur Konvois in Stärke von 10 Schiffen dürfen den Sund passieren". Und sie Bewirken weiter, dass beispielsweise Hamburgs Seehandel im Jahre 1400 um 40 Prozent geringer ist als 1369.
Dem offenen Kampf weichen sie aus. Nie stellen sie sich dem überlegenen Gegner. Meist segelten sie schneller als dieser und können entkommen. Gelingt es Ihnen nicht, sind sie verloren, siehe die erwähnten Gefechte auf der Osterems, bei Helgoland und in der Wesermündung.

Ihr Auge ist auf einzeln fahrende Schiffe gerichtet, die sie in Pulks überfallen. Ihre Beute sind auch Schiffe, die sie vom Konvoi abgedrängt haben. Einzelheiten ihrer Kapertaktik sind nicht bekannt, weil sie weder Logbücher noch sonstige Zeugnisse hinterlassen haben. Ihre Geschichte ist von ihren Gegnern geschrieben worden.

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Jan van Eijk Offline

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22.02.2009 13:30
#7 RE: die Vitalienbrüder Antworten
Die Vitalienbrüder beherrschen die amphibische Kriegsführung. Eine ihrer ersten Operationen führten sie 1393 gegen Bergen (Norwegen) aus. Mit 18 Schiffen und 900 Bewaffneten sind sie von Wismar und Rostock gekommen. Ihre Anführer heißen Enis und Maekingborg. Dieser fällt und auch sonst haben sie hohe Verluste. Aber dennoch verlassen sie den Kampfplatz als Sieger. Beutebeladen kehren sie in Ihre Heimathäfen zurück, um dort das Beutegut abzusetzen

Nicht den Urkunden, sondern einer Chronik zufolge, ist Bergen 1429 abermals geplündert worden. Wieder sind die Täter Vitalienbrüder aus Wismar. Ihr Führer ist Bartholomäus Voet. Diesmal wird die Beute aber in Hamburg umgeschlagen
Die fruchtbare Insel Bornhohn wird 1391, 1393 und 1427 von Vitalenbrüdern aufgesucht, um sich dort zu verproviantieren. Sie nehmen Hunderte Kühe, Ochsen, Lämmer und tonnenweise Butter. Unter ihren Plünderungen haben auch die Küstengebiete Dänemarks, Südschwedens, Lettlands und Estlands zu leiden. Besonders schwer trifft es Malmö 1394. Diese Beispiele ließen sich mehrfach vermehren.
Die Hansestädte bewaffnen Handelsschiffe und haben ständig Kriegsschiffe (Vredekoggen) in See liegen. Doch diese Mittel reichen nicht aus, um der Vitalienbrüder Herr zu werden. Sie sind nur mit großangelegten Feldzügen zu bezwingen. Welcher Schiffs- und Mannschaftsstärken es dazu bedarf und wie das zu finanzieren ist, wird fortlaufend auf Hansetagen beraten. Man einigt sich darauf, die Kriegskosten über einen Pfundzoll hereinzubringen. Die Seestädte haben ihn von 1398 bis 1403 zu erheben und in die gemeinsame Kriegskasse zu zahlen, was genau kontrolliert wird.

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Jan van Eijk Offline

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22.02.2009 13:33
#8 RE: die Vitalienbrüder Antworten

Es scheint nicht gerechtfertigt zu sein, die Vitalienbrüder ausschließlich zu verdammen. Soll es zu einem gerechten Urteil kommen, ist auch zu überdenken, wie sie zum Seeraub kamen. Werden sie doch von ihren Landesherren aufgerufen, gegen deren Feinde in den Kaperkrieg zu ziehen. Selbst sechs Hansestädter tun dies 1427. Wer will es den sozial Schwachen verübeln, wenn Sie dem Rufe von Königen, Herzogen, Rittern und Senatoren erlegen sind?
Die Grenze zwischen kapern und rauben ist auf See nur schwer zu ziehen. Es kann nicht ausbleiben, dass Neutrale darunter zu leiden haben. Das ist so bis in unsere Tage. Die Pariser Seerechtsdeklaration von 1858, die das Kapern grundsätzlich verbietet, ist ein Stuck Papier geblieben. Kein Staat der Erde hat sie in allen Seekriegen danach befolgt.

Die Gegner der Vitalienbrüder sind die Gleichen, die gestern ihre Verbündeten waren oder morgen ihre Freunde werden sollten. Um so weniger ist zu verstehen, dass sie mit den Vitalienbrüdern derart unbarmherzig umgehen. Diese rechtlose, inhumane Behandlung haben sie trotz Straftaten nicht verdient.
Ihre Henker haben in der römischen Geschichte ein nachahmenswertes Vorbild. Aber sie und die Mächtigen über ihnen kennen es wohl nicht mehr, oder wollen nichts davon wissen. Es war Gnäus Pompeius Magnus, der 61 v. Chr. gefangenen Seeräubern in großer Zahl das Leben schenkte und für sie Städte gründete, wo sie ein ziviles Leben führen konnten. Auch in diesem kleinen Beispiel zeigt sich die Staatskunst der Römer.
Doch auch die Henker der Vitalienbrüder verdienen Nachsicht, weil sie nichts tun, was damaliger Rechtsauffassung zuwider läuft.
Alle Völker haben für Ungerechtigkeiten ein feines Gespür. Vielleicht ist damit zu erklären, dass die Vitalienbrüder noch zu Lebzeiten in Legenden verherrlicht werden - und das bis heute. Nicht zu erklären ist allerdings, dass Klaus Störtebeker der alleinige Held geworden ist. Über andere Vitalierhäuptlinge wie z. B. Arend Stycke, Bartholomäus Voet, Otto von Peckatel, Moltke und Sven Sture sagen die Quellen eindeutig aus. Das ist bei Klaus Störtebeker - außer in den Chroniken - nicht der Fall. In den Hanserezessen und Urkundenbüchern kommt sein Name nicht vor. Aber 27 Jahre nach seiner Hinrichtung (1401) berichten die Hanserezesse 1 8, Nr.512 von seinem Namensvetter Marquard Störtebeker aus Wismar, und 1400 von einem Johan Störtebeker.

Hans Leip vermutet in seinem ,,Bordbuch des Satans" (München 1959), Störtebeker sei ein Deckname gewesen, herrührend von dem Wappen des stets als Edelmann angesehenen Abschäumers. Des Wappen besteht aus einem Trinkhorn, das gefüllt nicht hingestellt werden kann, man musste es schon vorher austrinken - diesen Becher hinunterstürzen. Klaus war mit seinem Bruder der letzte der Familie Alkun, die dieses Emblem im Wappen führte.
Die Anwesenheit Störtebekers, jedenfalls nicht unter diesem Namen, in Ostfriesland ist nicht bekundet, ebenso liegen keine Beweise für die Behauptung vor, Störtebeker sei der Schwiegersohn Keno tom Brooks gewesen. Die Bemerkung Wiardas (Bd. 1., S. 370) über die Gefangennahme von Seeräubern in der Emsmündung 1402 reicht zum Beweis nicht aus. Es heißt dort: Die Hauptanführer der Korsaren waren aber entwischet. Zwei Jahr nachher gelang es den Hamburgern, Störtebeker und Wichmann zu ertappen.

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